Flugzeuge mit Auftrieb: Wie hat sich das Fliegen mit Lufthansa verändert?

Shownotes

Wie bringt man eine völlig neue Flugzeuggeneration in die Luft – und eine ganze Airline gleich mit? Vom rumpeligen Propellerflugzeug über die legendäre Boeing 707 bis hin zum Airbus A320 und dem Giganten A380: Jede Maschine hat Lufthansa-Geschichte geschrieben. In dieser Folge erzählen Carl Sigel, langjähriger CTO und Flottenchef, und Pilot Nils Lewe, bis vor Kurzem Executive Assistant des CTO, wie technologische Sprünge das Fliegen revolutioniert haben und welche Strategie hinter der Auswahl neuer Jets steckt. Historiker Dr. Manfred Grieger wirft einen Blick zurück auf die waghalsigen Anfänge der Luftfahrt. Wie wurden neue Technologien angenommen? Warum war der A380 vielleicht seiner Zeit voraus? Und welche Kriterien entscheiden, welche Flugzeuge die Zukunft prägen? Hört rein und entdeckt, wie Fliegen immer wieder neu erfunden wurde.

Lufthansa Airlines Podcast 2. Staffel „Above & Beyond“

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[CS] Das Flugzeug war eigentlich komplett anders als alles, was wir bis dahin hatten. Das war also eine sehr herausfordernde Aufgabe, diese Flotte aufzubauen, aber ich glaube, wir haben die A320 zum Erfolg gebracht.

[NL] Ich denke, ein Schlüssel in einer zukünftigen Flottenstruktur ist vor allem, eine einfache Flotte, die es uns letztendlich ermöglicht, auch flexibel am Markt zu agieren.

[VO] Above and Beyond – der Podcast der Lufthansa Airlines. Für Einblicke in die Luftfahrt.

[AH] Fast 100 Jahre fliegt Lufthansa bereits, und das geht bekanntlich nur mit Flugzeugen. Die Flotte ist das Rückgrat der Lufthansa und hat sich seit den Anfängen bis heute mehrfach radikal verändert. Vom Propellerflugzeug zum strahlgetriebenen Düsenjet, vom spritdurstigen Jumbo zum effizienten Airbus. Man kann es sich heute kaum noch vorstellen, aber es gab mal eine Zeit, da dauerte ein Flug von Berlin nach New York 17 Stunden. Aber die technologischen Sprünge haben das Fliegen nicht nur schneller, sondern auch komfortabler, leiser und sparsamer gemacht, mit erheblichen Auswirkungen auch auf das Streckennetz, auf Crews und natürlich die Techniker am Boden. Deshalb reisen wir heute zurück zu den Meilensteinen, also dahin, wo in den Zeitläufen von Lufthansa solche Sprünge stattgefunden haben. Und wir schauen, welche Kriterien heute entscheidend sind für den, wenn man so will, Fuhr- bzw. Flugpark. Welche logistischen Herausforderungen stecken hinter einer modernen Flottenstrategie? Darüber sprechen wir mit einem ehemaligen Flottenchef und einem Experten aus dem heutigen Flottenmanagement. Herzlich willkommen bei „Above and Beyond“, Carl Sigel und Nils Lewe.

[CS] Guten Tag.

[NL] Guten Tag.

[AH] Guten Tag! Mein Name ist Anja Heyde. Ich bin freie Journalistin und Moderatorin und begleite Sie durch die zweite Staffel des Lufthansa-Airlines-Podcasts.

[AH] Herr Sigel, fangen wir bei Ihnen an: Sie sind Ende der 1960er-Jahre zu Lufthansa gekommen und dann 41 Jahre dabeigeblieben, habe ich das richtig im Kopf?

[CS] Ja, ich habe genau am 01.11.1966 mit der Flugschule angefangen.

[AH] Erst als Co-Pilot, dann – –

[CS] Nein, zuerst war ich auf der Flugschule zwei Jahre.

[AH] Klar, aber dann?

[CS] Und dann, hinterher Co-Pilot 737, hinterher, nach der 737 bin ich auf den Jumbo gekommen, auf 747 als Co-Pilot und bin dann '76 Kapitän geworden.

[AH] Sie waren aber natürlich auch auf dem Airbus A320 später noch?

[CS] Ich habe den A320 bei Lufthansa eingeführt als Flottenchef. Also wenn ich zurückblicken kann, war das eines meiner interessantesten Projekte, die ich je gemacht habe.

[AH] Deshalb sind Sie heute hier. Und deshalb werden wir auch natürlich darüber sprechen. Sie waren Generalbevollmächtigter, Bereichsvorstand Operations und Chief Operating Officer von Lufthansa Airlines. Sie sind jetzt seit 2008 pensioniert. Fliegen Sie noch oder lassen Sie nur noch fliegen?

[CS] Nein, ich fliege nicht mehr und lasse auch nur ganz selten fliegen.

[AH] Was machen Sie stattdessen?

[CS] Och, ich habe viel Freizeit. Ich fahre als Rentner so oder so, ich fahre sehr viel Fahrrad, ich spiele Golf, ich segle sehr viel. Ich habe ein eigenes Schiff, bin jedes Jahr so zehn Wochen im Mittelmeer unterwegs und da ist es – dann habe ich eine große Familie mit drei Kindern, sechs Enkeln, und da ist man ausgelastet.

[AH] Herr Lewe, Sie sind Pilot, First Officer, für den A320, aber Ihr Weg ins Cockpit war jetzt nicht ganz so direkt, will ich mal sagen. Wie sind Sie zur Fliegerei gekommen?

[NL] Richtig, genau. Also so richtig gekommen zur Fliegerei bin ich tatsächlich erst mal familiär vorgeprägt. Also ich war schon immer so ein bisschen mit der Fliegerei verbunden, komme hier auch aus der Region, bin aufgewachsen, das heißt der Frankfurter Flughafen, auch die Lufthansa, die war immer präsent. Ich komme auch aus so einer klassischen Lufthansa-Familie, wenn man so will, und wollte schon früh was mit Luftfahrt machen, bin dann aber erst so ein bisschen in die betriebswirtschaftliche Schiene gegangen, habe ein duales Studium bei Lufthansa gemacht und mich dann erst danach, während ich schon hier bei Lufthansa in Bürotätigkeit war, für die Pilotenausbildung beworben, wurde dann da auch genommen und dann ein paar Jahre später tatsächlich auch an die Verkehrsfliegerschule nach Bremen gegangen und dort die Ausbildung zum Piloten absolviert.

[AH] Und können Sie sich vorstellen, irgendwann mal nicht mehr zu fliegen, so wie Herr Sigel?

[NL] Ich fliege ja jetzt noch nicht so lange, von daher ist das jetzt aktuell noch nicht so auf meinem Radarschirm. Aber tatsächlich weiß ich, dass das Thema Fliegen eine absolute Leidenschaft ist für Piloten und auch das Aufhören vom Fliegen durchaus ein sehr emotionales Thema ist, was jeden individuell auch bewegt, wenn man dann seinen letzten Flug hat. Ich glaube aber tatsächlich, das ist personenabhängig.

[AH] Sie waren bis vor Kurzem auch noch Executive Assistant des CTO von Lufthansa Airlines und damit auch zuständig für das Flottenmanagement, also den Flugzeugeinkauf bei Airbus und Boeing. Was würden Sie eigentlich sagen, wie unterscheidet sich Ihr Job heute von dem von Carl Sigel damals?

[NL] Also auf die Fliegerei bezogen, glaube ich, hat sich da sehr viel getan. Und ich glaube, Carl Sigel hat in seiner Laufbahn deutlich größere Sprünge gemacht, was den technologischen Fortschritt angeht, des Fliegens und der Veränderung auch an der Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine. Da hat sich in den Dekaden zwischen 1960 und 1990 extrem viel getan, und das ist auch im Vergleich zu heute eine größere Dynamik gewesen. Das heißt, als Pilot musste man da sehr viel Veränderungsbereitschaft auch mitbringen. Ich selbst bin jetzt auf dem A320 groß geworden, also sozusagen auf der letzten Generation, die ja durchaus auch in sich einige Entwicklungen schon mitgemacht hat. Also da hat sich in den letzten 20, 30 Jahren auch viel getan, aber tatsächlich ist das ein Flieger, der immer noch, würde ich behaupten, technologisch sehr weit vorne ist, sehr modern ist und da sehr viel mit sich bringt. Zu dem Thema Flottenmanagement und Flotteneinführung ist es, glaube ich, in vielerlei Hinsicht ähnlich, wenn auch anders geartet von den Ausprägungen. Wir haben letztendlich als Firma immer die Herausforderung, wenn ein neues Flugzeug kommt, das Unternehmen darauf vorzubereiten, die Organisation aufzubauen dafür, das heißt die Crews zu trainieren, die internen Prozesse, sei es von der Bodenabfertigung über die Technik bis hin zur tatsächlichen Fliegerei aufzusetzen. Das ist alles sehr herausfordernd, gerade wenn es ein Flugzeug der neuen Kategorie ist, wie beispielsweise der A380, oder wenn es ganz andere technologische Grundsätze mit sich bringt.

[AH] Tja, ohne Flugzeuge ist alles nichts bei der Lufthansa, ich habe es gesagt, wir schauen heute auf die frühen Flieger, auf den Neuanfang der Flotte nach dem Zweiten Weltkrieg und auf den Beginn des Jetzeitalters und damit zwangsläufig auf die beiden Großen im Flugzeugbusiness, die Hersteller Boeing und Airbus. Und wir gehen der Frage nach, wie die Flotte der Zukunft aussehen muss. Aber erst mal gucken wir zurück auf ein für Lufthansa entscheidendes Jahr.

[AH] Am 16. September 1960 spielte eine Kapelle in der Wartungshalle für Düsenflugzeuge die Ouvertüre zur Feuerwerksmusik von Händel. Und der damalige Regierende Bürgermeister von Berlin und spätere Bundeskanzler Willy Brandt taufte mit einer Flasche deutschen Schaumweins eine der beiden ersten Lufthansa-Boeing-Maschinen auf den Namen Berlin. Die andere bekam übrigens den Namen der Partnerstadt Frankfurt. Damals vor Ort waren auch Kollegen vom Sender Freies Berlin, dem SFB, für einen Fernsehbeitrag. Wir haben da was ausgegraben.

[VO] Rund 500 Gäste aus Luftfahrt- und Tourismusindustrie, der Hessischen Landesregierung und Frankfurter Behörden, Diplomaten und Medienvertreter haben sich am Vormittag dieses 16. September 1960 vor der großen Wartungshalle für Düsenflugzeuge auf dem Frankfurter Rhein-Main-Flughafen versammelt, um der Taufe der beiden ersten Lufthansa Boeing 707 Flugzeuge beizuwohnen. Der Regierende Bürgermeister von Berlin, Willy Brandt, wird stürmisch begrüßt, berichtet die Zeitschrift ‚Der Lufthanseat‘. Er ist nur für anderthalb Stunden vor Ort, danach geht es für ihn zurück nach West-Berlin, der Stadt, die sich politisch gerade in einer so schwierigen Lage befindet. Darauf geht Willy Brandt in seiner Taufrede ein und würdigt nicht nur, dass die beiden Flugzeuge ‚Frankfurt‘ und ‚Berlin‘ heißen sollen, sondern auch die enge deutsch-amerikanische Freundschaft. Der Sender Freies Berlin zeichnet die Rede auf:

[WB] Ich freue mich wirklich darüber, dass an diesem Tag und bei dieser Namensgebung die freundschaftliche Verbindung zwischen Frankfurt und Berlin so schön unterstrichen wird. Dieses Flugzeug, das den Namen ‚Berlin‘ tragen wird, wird von hier aus sich nach New York bewegen, in die Vereinigten Staaten von Amerika. Und das hat etwas zu tun mit der Lage, in der sich die durch mich vertretene Stadt jetzt befindet. Es hat etwas zu tun mit der Lösung der Schwierigkeiten, die noch vor uns liegen.

[VO] Die Taufe wird „mit einer Flasche deutschen Schaumweins vollzogen“, wie es im ‚Lufthanseaten‘ heißt. Der Regierende Bürgermeister Brandt benetzt damit die Bugnase der Boeing 707 und spricht die folgenden Worte:

[WB] Ich gebe dir den Namen ‚Berlin‘ und wünsche dir Gottes Segen!

[VO] Die Kapelle spielt unter dem Applaus der Gäste auf. Und während die Gäste noch einen Imbiss zu sich nehmen, kehrt Willy Brandt zurück in seine Stadt, die nur wenige Monate später den Bau der Berliner Mauer erleben wird.

[AH] Sie waren beide, Herr Lewe, Herr Sigel, nicht dabei. Damals nicht. Als Sie zur Lufthansa kamen, da war die Boeing 707, Herr Sigel, schon ein paar Jahre in Betrieb und der Start des Düsenzeitalters somit schon eingeleitet. Was haben denn Ihre älteren Kollegen damals so erzählt? Wie haben die die neue Technik aufgenommen?

[CS] Na ja, ich bin ja mit vielen von den alten Herren damals geflogen, als ich noch Co-Pilot auf dem Jumbo war, die alle früher mit der 707 dann angefangen haben, zum ersten Mal einen Jet geflogen haben. Und ich bin gerade auf Langstrecke, wenn man da nachts unterwegs ist, stundenlang, man unterhält sich, jetzt habe ich ja kein Problem mit Kommunikation, und so habe ich von den alten Herren eigentlich sehr viel für mein Leben mitgenommen.

[AH] Und die neue Lufthansa startete ihren Linienbetrieb am 1. April 1955, damals aber noch mit Propellermaschinen. Es fing an mit gerade mal vier Convair-maschinen im April '55 auf der Linie Hamburg München. Und dazu kamen dann noch unter anderem die Lockheed Super Constellation und die Lockheed Super Star. Worin lag denn der Unterschied zu den Propellermaschinen vor dem Krieg?

[CS] Na ja, die waren wesentlich moderner dann, diese Maschinen. Und ich hatte ja das Glück damals auf der Flugschule, ich kam aus dem Stuttgarter Raum, die Flugschule war in Bremen, am Wochenende sind wir oft heimgeflogen. So habe ich also die Convair kennengelernt, ist mitgeflogen, durfte in die Cockpits vor. Und das erste Beeindruckende für mich war dann, mit der Super-Connie von Frankfurt nach Stuttgart zu fliegen, mit dem viermotorigen Ding. Und dann saß ich da hinten auf dem Jumpseat, habe da geguckt und da vorne war so eine ganz schmale Bahn und so ein großes Flugzeug. Da habe ich gedacht, das lerne ich nie. Aber wir haben dann richtig aufgesetzt und es war meine einzige und erste Erfahrung mit der Super-Connie und dann später mit der 707, als wir dann in Amerika auf der Flugschule waren. Da sind wir mit der 707 von Frankfurt nach Chicago. Aber selber habe ich von den Flugzeugmustern keins geflogen.

[AH] So, dann springen wir ins Jahr 1960. Da war es dann soweit. Die Boeing 707 kam. Was bedeutete das für den laufenden Betrieb?

[CS] Na ja, es wurde einfach – es hat andere Möglichkeiten gegeben. Es hat viel mehr Direktstrecke gegeben, die Reichweite war größer, wir konnten das Streckennetz ganz anders aufbauen als vorher mit den Propellermaschinen, mit der Super-Connie auf der Langstrecke. Sie konnten fast überall direkt hinfliegen, war schneller und war effektiver.

[AH] Und da wird ja ein ganz neues Flugzeug eingeführt, mit einer ganz neuen Technik. Was heißt das für Technik, für Crew? Also Herr Lewe, auch in einer anderen Dimension haben Sie es ja vorhin angedeutet, was es bedeutet, wenn man plötzlich mit einer neuen Technik zu tun hat.

[NL] Ich denke, gerade der Beginn des Düsenzeitalters war von einer stark strukturellen Veränderung für die gesamte Branche geprägt. Zum einen hat sich nicht nur die Größe des Flugzeugs verändert und die Antriebstechnologie, sondern auch die Infrastrukturnotwendigkeiten, also Flughäfen mussten anders konzipiert werden. Es gab sicherlich längere Start- und Landebahnen, die gebaut werden mussten und sich erweitert haben. Und ich denke, die ganze Branche war da ein Stück weit auch in dieser Aufbruchstimmung und hat dazu beigetragen, dass das Fliegen zu einem Massenphänomen wurde. Denn das ist letztendlich auch das, was wir gerade der Boeing 707 beispielsweise zu verdanken haben. Als ein Flugzeug mit relativ viel Passagierkapazität im Vergleich zu den vorherigen Propellerflugzeugen hat es das Fliegen letztendlich in die breite Masse gebracht.

[AH] Hat denn einer von Ihnen beiden irgendwann mal noch eine Maschine geflogen vor dieser Zeit? Also eine Propellermaschine zum Beispiel?

[CS] Nur auf der Flugschule.

[AH] Ach, schon auch. Was für eine?

[CS] Ja, ja, da haben wir Propellermaschinen gehabt, einmotorige, zweimotorige.

[AH] Ich frage natürlich nicht ganz umsonst. Wir haben im Archiv gewühlt und einen Blick auf die Anfänge der kommerziellen Luftfahrt geworfen. Und welche Maschinen die Vorkriegs-Lufthansa flog, das haben wir den Historiker Dr. Manfred Grieger gefragt.

[VO] Auch wenn die Pionier-Jahre der „tollkühnen Männer“ mit ihren fliegenden Doppeldecker-Kisten aus Holz und Stoff schon vorbei waren: Die frühen Lufthansa-Maschinen waren dennoch unbequeme, umgebaute Flugzeuge aus dem Ersten Weltkrieg. Die Firmenfusion von Deutscher Aero-Lloyd und Junkers Luftverkehr AG 1926 zur ersten Deutschen Lufthansa erfolgte aufgrund wirtschaftlicher Konkurrenz und staatlichen Drucks und führte dazu, dass die Lufthansa-Flotte bunt zusammengewürfelt war, erklärt Sozial- und Wirtschaftshistoriker Dr. Manfred Grieger:

[MG] Von Albatros über Bayerische Flugzeugwerke bis hin zu Dornier – ganz unterschiedliche Modelle mit all den Problemen, die daraus erwachsen sind. Sie haben einen riesigen Aufwand, um Dauerbetrieb sicherzustellen, die Reparatur, die Ausbildung der Piloten. Die meisten waren ja schon ausgebildet, weil es zum Teil ja noch Flugzeuge waren, die im Ersten Weltkrieg bereits geflogen waren und die Piloten eben auch. Und es gab hinterher wirklich noch das Problem, dass solche Weltkriegspiloten sich auch gar nicht mehr gerne ausbilden lassen wollten, weil sie ja meinten, sie seien schon Helden der Luft.

[VO] Mehr als vier bis sechs Personen passten nicht in diese Flugzeuge. Von ziviler Luftfahrt in größerem Maßstab war man weit entfernt. Fliegen kostete damals nicht nur viel Geld, sondern auch Mut. Und erforderte einen stabilen Magen.

[MG] Das war unkomfortabel, es war zum Teil auch unsicher. Das heißt, die Anzahl der von der Lufthansa sogenannten „Außenlandungen“, also, wenn man so will, der Notlandungen, war doch relativ hoch, insbesondere bei einmotorigen Flugzeugen, da die Motoren und auch sonstige technischen Einrichtungen noch nicht besonders zuverlässig waren. Also insoweit war es auch ein Stück weit eher Abenteuer als wirklich Komfort.

[VO] Die Junkers F 13 war das erste Ganzmetall-Verkehrsflugzeug weltweit. Mitte der 1920er-Jahre machte sie bereits 40 Prozent des globalen Luftverkehrs aus. Das Reisen durch die Lüfte wurde bequemer und sicherer, wenn auch bei weitem nicht für jeden erschwinglich. Aber zumindest die Belastbarkeit dieser Flugzeuge war deutlich höher, sagt Manfred Grieger.

[MG] Zuladung, Aerodynamik, andere Elemente waren deutlich günstiger, sodass also auch die Reichweite sich steigern ließ. In der ersten Version mussten die Piloten auch noch draußen sitzen. Aber am Ende waren das sozusagen Flugzeuge, in denen alle Passagiere und auch die Piloten im Fluggastraum waren und somit vor Wind und Kälte zumindest deutlich geschützter waren. Die Sitze wurden dann nach und nach verbessert, sodass es keine abenteuerliche Tortur mehr war, sondern tatsächlich dann auch Geschäftsflugzeuge möglich waren und auch relativ rasch der Badeluftverkehr eingesetzt hat, wo Menschen aus Berlin oder anderen Städten an die Ost- oder Nordsee fliegen konnten.

[VO] Aber auch technologisch machte die Lufthansa Fortschritte. Mehrmotorige Maschinen wie die Ju 52, die „Tante Ju“, senkten das Risiko bei Triebwerksausfällen und erhöhten den Flugradius.

[MG] Also mit dem Übergang zu den Mehrmotoren-Flugzeugen, beispielsweise bei der Rohrbach, aber erst recht dann bei der Ju 52, die ja dann zum Standardflugzeug der Deutschen Lufthansa werden sollte, war dann der Dreimotorer ja ein wichtiger Schritt, um tatsächlich Reichweite zu gewinnen und Sicherheit zu gewinnen. Gleichzeitig hatten diese größeren Flugzeuge mehr Innenraum, konnten also mehr Fluggäste mitnehmen und sie auch bequemer unterbringen. Jetzt geht‘s darum, dass es zehn und mehr wurden. Einzelne Flugzeuge konnten das auch schon seit den späten [19]20er Jahren, aber der deutliche Ausbau der Kapazitäten fing dann wirklich mit der Junkers 90, die aber nur in kleinen Exemplaren gebaut wurde, dann mit der Ju 52, später mit der Focke-Wulf 200 an.

[VO] Bordradar und Funknavigation veränderten das Erscheinungsbild des Cockpits und ermöglichten Flüge bei schlechter Sicht, Nachtflüge und sogar erste Non-stop-Transkontinentalflüge, die jedoch nicht mehr als dem Prestige dienten. Dennoch: Durch den Übergang zu mehrmotorigen Flugzeugen und größeren Passagierräumen entwickelte sich auch der Komfort positiv.

[MG] Neben stabileren Sitzen, auch veränderbaren Sitzen, trat auch der Service von den Fluggästen hinzu. Dass sie also was zu trinken, später sogar, ab Mitte der [19]30er Jahr sogar was zu essen bekommen konnten an Bord, also auch warmes Essen. Der zweite Punkt war, dass die Flugleistung, die ruhigere Fluglage, den Komfort für Turbulenzen-empfindliche Passagiere deutlich erhöhte. Und letzter Punkt: Es wurde alles viel pünktlicher.

[VO] Letzlich war die Entwicklung der Flotte aber auch ein militärisches Anliegen. Revisionistische Kreise im Deutschen Reich instrumentalisierten die zivile Luftfahrt, um Auflagen des Versailler Vertrags zu umgehen und der Reichswehr eine Art von „versteckter“ Luftwaffe zu erhalten.

[MG] Die Lufthansa spielte schon in den [19]20er Jahren in der Weimarer Republik bei den Militärplanungen durchaus eine Rolle, wenn man so will, in einer Form als Behelfsbomber. Das erweiterte sich dann im Zusammenhang mit der Ju 52 nochmal wesentlich. Das Unternehmen selbst war mit seinen Werften und Entwicklungsabteilungen auch intensiv in die Entwicklung von neuen Flugzeugmustern einbezogen, in die Erprobung von Instrumenten und anderen Angelegenheiten, so dass dieses Staatsunternehmen, in dem ja das Deutsche Reich, die Länder, einen großen Aktienanteil hatten, tatsächlich ein Instrument der Aufrüstung wurde. Hinzugefügt werden muss allerdings, dass durch die Entwicklung der Deutschen Luftwaffe nach 1935 dann die militärische Rolle der Lufthansa zurückging.

[VO] Mit Kriegsende verboten die Alliierten schließlich den Deutschen die zivile Luftfahrt – bis eine neue Deutsche Lufthansa gegründet wurde.

[AH] So, wenn man das so hört, dann ist man doch ganz froh, in der heutigen Zeit zu fliegen. Aber bis wir zum Komfort von heute kommen, hat es doch noch den einen oder anderen technologischen Schub gegeben. Wir waren stehen geblieben bei der Boeing 707. Herr Sigel, Sie haben mehrere dieser technologischen Sprünge selber mitgemacht. Da kam dann unter anderem auch die Boeing 737 und 1989 der Airbus A320. Und das war noch mal ein Riesensprung, eine Riesenumwälzung für die Lufthansa, aber eben auch möglicherweise für Sie persönlich oder für die Piloten?

[CS] Na, mit der 737 habe ich das auch hautnah miterlebt und da haben wir einen technologischen Sprung dann gehabt, erstens mal die neueren Triebwerke dann und dann, während meiner Zeit als Flottenchef, hatten wir auch dann zum ersten Mal das Glascockpit eingeführt. Und es war dann schon ein weiterer technologischer Sprung in Richtung moderne Technologie.

[AH] Was war denn der Unterschied?

[CS] Der Unterschied war einfach, dass wir sehr viele Informationen in einem größeren Bildschirm hatten, wo wir vorher sehr viele verschiedene Instrumente hatten, und konnten da so viel wie möglich Informationen reinpacken. Und das war im Grunde auch die Basis, wo dann hinterher bei den neuen Flugzeugen, wie auch zum Beispiel beim A320, darauf aufgebaut worden ist, auf die Bildschirmtechnologie.

[AH] Also 1989 der A320. Was war an diesem Flugzeug – ich meine, Sie waren quasi derjenige, der verantwortlich war für die Flotteneinführung –, was war an diesem Flugzeug anders?

[CS] Das Flugzeug war eigentlich komplett anders als alles, was wir bis dahin hatten. Wir hatten Fly by Wire. Früher wurden die ganzen Signale durch Seile und alles Mögliche übertragen, Hydraulik, heute alles elektronisch. Wir hatten einen Side Stick und hatten ganz andere Sicherheitsparameter in das Flugzeug eingebaut, und das war also eine sehr herausfordernde Aufgabe, diese Flotte aufzubauen, sowohl von der Pilotenschaft, weil es gab auch sehr viele Skeptiker, die nicht hundertprozentig überzeugt waren von der neuen Technologie und gesagt haben „Früher war alles besser“. Aber das ist uns eigentlich ganz gut gelungen. Ich hatte ein Team von Check- und Trainingskapitänen aufgebaut um mich herum, und ich glaube, wir haben die A320 zum Erfolg gebracht.

[AH] Aber wie lange hat es gedauert, bis man die Piloten alle umgestellt hatte, bis man so weit war, dass man sagt „Okay, jetzt haben wir alles in Sack und Tüten“?

[CS] Das ging relativ schnell, ganz normales Training, Simulatortraining und dann Flugtraining haben wir mit den ersten so oder so immer gemacht, mit den Check- und Trainingskapitänen. Da sind wir dann nach Malta oder irgendwohin geflogen oder nach Paphos war man öfters, in Zypern, und da haben wir ein paar Tage lang – sind wir im Kreis rumgeflogen und haben jeden trainiert. Und es war am Anfang sehr wichtig, denn die Leute hatten, wenn sie vorher die Steuerung hatten, immer das Gefühl, sie müssten irgendwo da was rumfummeln. Und bei dem Side Stick, den fasst man nur an, wenn man die Fluglage verändern möchte. Dann können Sie im Grunde loslassen. Gerade die alteingesessenen Piloten, die schon 20, 25 Jahre geflogen sind, die auf die neue Technologie zu schulen, war schon eine Herausforderung.

[AH] Also doch. Weil: Es klang eben so ein bisschen, als ob das alles so, so durchgerutscht ist.

[CS] Ja, wenn man es dann alles geschafft hat, dann war das ein wahnsinnig angenehmes Flugzeug.

[NL] Das Spannende ist ja, dass das heutzutage sogar auch noch kulturell in der Fliegerei und in der Pilotenschaft ein Thema ist. Also dieses – es gibt oft Kollegen, die sagen, sie sind eher Boeing-Flieger, und Kollegen, die sind eher Airbus-Flieger. Also dieses Kulturelle haben wir auch nach 40 Jahren Einführung des A320 noch nicht ganz überwunden, hängt natürlich auch daran, dass unsere Ausbildung nach wie vor erst mal konventionell beginnt. Also es ist immer noch so, dass man an der Flugschule das Fliegen mit Stick und Radar, wie man so schön sagt, lernt im Sinne von manuell mit den einfachen Instrumenten und tatsächlich einer direkten Kontrolle der Steuerflächen und erst im weiteren Verlauf der Ausbildung sich letztendlich, wenn das Endmuster feststeht, sich für einen Flugzeugtyp entscheidet und dann entweder auf den Airbus A320 beispielsweise geschult wird oder auf andere Modelle wie die Boeing 737.

[CS] Wenn ich noch was dazu sagen darf: Wenn man den 320, die neue Technologie, sieht, man würde oft denken als Laie „Man muss ein Computerfreak sein, um das Flugzeug zu fliegen“, das trifft nicht zu. Wenn Sie das Gefühl im Hintern nicht haben, dann können Sie auch keinen 320 gut fliegen, also das fliegerische Gefühl.

[AH] Das bleibt. Und, Herr Lewe, trotzdem noch mal die Nachfrage: Was ist das denn heute? Also der Unterschied, der A320 war natürlich ein Riesensprung auch noch mal, und wenn man heute ein neues Flugzeug einführt, ein neues Flugzeugmuster einführt, sind die Herausforderungen noch dieselben?

[NL] Ich glaube, für die Piloten ist die Einführung eines neuen Musters oder das Erlernen eines neuen Musters spannende und auch herausfordernde Zeit. Ich denke, wenn man es mit der Einführung des A320 vergleicht, gab es nicht mehr in den letzten Jahren diese Sprünge. Ich bin aber davon überzeugt, dass durchaus ein solcher Sprung wieder bevorsteht für uns in den nächsten Jahren oder im nächsten Jahrzehnt, weil die Flugzeughersteller ja auch schon an neuen Kategorien von Flugzeugmodellen arbeiten und es durchaus da auch noch Weiterentwicklungspotenziale gibt. Ansonsten kann man grundsätzlich sagen heutzutage, wenn man von einem Flugzeugmuster zu einem anderen wechselt, vom gleichen Hersteller, ist der Grad der Veränderung nicht ganz so stark.

[AH] Es sei denn, es ist ein Riesenflugzeug. Und jetzt bin ich beim A380. Warum war das Gastspiel vom A380 so kurz?

[NL] Das ist eine gute Frage. Also ich kann da nur mutmaßen. Ich denke – ich persönlich war ein großer Fan vom A380 und glaube, dass er vielleicht zum Teil auch einfach zur falschen Zeit in der Branche war. Weil man muss sich das so vorstellen: Die Entwicklung eines solchen Großraumflugzeugs mit zwei Volldecken und an die 500 Passagiere, das bedarf ja einer gewissen Marktsituation, also einer gewissen Nachfrage, aber auch gewisse Umstände, die es notwendig machen, so ein großes Flugzeug überhaupt zu betreiben. Und Anfang der 2000er, Ende der 90er war das in der Luftfahrt der Fall. Wir hatten bei den Flughäfen oft Kapazitätsengpässe, also sogenannte Start- und Landerechte-Slots, wie wir sie nennen, die waren eher rar gesät, gerade bei den größeren Ballungsgebieten wie London, Heathrow, New York, JFK etc., da konnte man als Airline teilweise gar nicht zweimal am Tag beispielsweise mit seinem Langstreckenflugzeug hinfliegen, weil man nur ein paar Start- und Landerechte hatte. Und da kam der A380 ins Spiel. Weil der A380 hat im Prinzip zwei Flugzeuge von der Kapazität aufeinander gepackt und als Airline war es dann möglich, mehr Passagiere in einem Flugzeug zu befördern. Und dieses Alleinstellungsmerkmal des Flugzeuges war für viele große Airlines, die auch in einem sogenannten Drehkreuz arbeiten, wie es die Lufthansa tut mit Frankfurt und München, durchaus interessant und attraktiv. Es hatte nur einen Nachteil: Es war ein Vierstrahler und die Triebwerkstechnologie hat sich dann gerade so in den 2010er-Jahren, als der A380 gerade auf den Markt kam, dahingehend verändert, dass man es geschafft hat, die Triebwerke so leistungsfähig zu machen, ein einzelnes Triebwerk so leistungsfähig zu machen, dass man nur noch zwei braucht. Und der A380 kam auf dem Markt als Vierstrahler. Und ich denke, das war letztendlich dann auch, wenn man in Richtung Betriebskosten guckt, ein Grund, warum er nicht so lange am Markt etabliert sein konnte.

[AH] Was sind denn grundsätzlich Kriterien damals gewesen, aber auch heute, wenn man eine Flotte einkauft, also wonach – nach welchen Kriterien geht man?

[CS] Zunächst war es mal das Jet-Zeitalter, als das gekommen ist mit der 737. Da gab es ja am Anfang noch keine Alternative. Es gab Airbus noch nicht und deswegen ist man da rein Richtung Boeing gegangen. Aber in der Zwischenzeit hat ein Airbus auch sehr gute Jets gebaut. Und ich finde es auch ganz gut, dass es eine gesunde Konkurrenz gibt. Denn wenn wir nur einen Hersteller hätten, dann würden wir wahrscheinlich wesentlich höhere Preise zahlen und die Tickets wären wesentlich teurer als heute. Und so kann man eigentlich einen Hersteller gegen den anderen ausspielen. Und ich habe das oft erlebt in den ganzen Verhandlungen, wo wir die Flugzeuge eingekauft haben, da haben wir einen ganz pfiffigen Ingenieur aus Hamburg gehabt, der hat es immer sehr gut verstanden, die Hersteller gegeneinander auszuspielen. Und da konnten wir wirklich das umsetzen, was wir für richtig hielten. Und deswegen ist es eigentlich immer gesund, wenn Sie eine Konkurrenz haben, gerade für uns dann als Einkäufer.

[AH] Macht es heute einen Unterschied, wenn man eine zentrale Bestellung hat?

[NL] Also ich denke, das ist heute auch noch ein wesentlicher Faktor. Man will letztendlich als Airline auch die Möglichkeit haben, eine gewisse Auswahl zu haben, wenn es um Flugzeugbestellungen geht. Und ich denke, es ist auch hier die Balance zwischen den beiden großen Herstellern herzustellen, weiterhin ein wesentliches Ziel. Man muss sehen, es gibt in anderen Märkten ja deutlich mehr Anbieter, in der Automobilbranche etc. Wir sind schon in der Luftfahrt sehr konzentriert mit diesen Duopol, wenn man so will. Es gibt noch Embraer als regionalen Hersteller, den man auch nicht außen vor lassen darf. Aber letztendlich ist es natürlich ein Kriterium sicherlich auch für Flotten-Einkaufsentscheidungen. Es gibt aber natürlich auch noch weitere.

[AH] Sie haben es „Duopol“ genannt, Herr Lewe zwischen Boeing und Airbus. Der A320, habe ich gelesen, wurde zum Albtraum der amerikanischen Luftfahrt, weil die sich so zum Verkaufsschlager entwickelt hat, weil der so wahnsinnig innovativ war in dieser Zeit. Hat sich daran, an diesem Duopol, noch irgendwas verändert?

[NL] Bedingt. Also ich glaube, der A320 hat durchaus auf der Kurzstrecke dafür gesorgt, dass Boeing nicht mehr Monopolist war sozusagen in dieser Zeit und da sehr viel Geschäft abgenommen. Boeing hat ja versucht, über die letzten Jahre und Jahrzehnte da auch nachzulegen und immer neue Generationen rausgebracht. Und Airbus tut das ja auch in ihrem A320-Modell. Also wir reden ja nicht immer noch, wenn wir heute den A320 ausgeliefert bekommen, von dem Flugzeug, was wir 1989 ausgeliefert bekommen haben, sondern in dem Modell gibt es verschiedene Generationen, die sich über die Jahre entwickelt haben, und die beiden neuesten Modelle sowohl vom A320 als auch von der Boeing 737, die sind technologisch ähnlich, zumindest wenn man sich die wirtschaftlichen Kennzahlen anschaut wie Reichweite, Treibstoffkosten, Effizienz etc. Aber Boeing musste da natürlich viel an Airbus auch abgeben. Und ganz außen vor lassen darf man auch Konkurrenz von außen nicht. Also es gibt ja auch immer wieder aus anderen Teilen der Welt Initiativen, eigene Schmalrumpfflugzeuge zu bauen, sei es in China oder in Russland. Und wir haben auch noch die Regionalflugzeughersteller, die sich auch immer weiterentwickeln in das Segment der größeren Schmalrumpfflugzeuge wie dem A320 und der 737, so beispielsweise Embraer, die auch noch am Markt etabliert sind.

[AH] Wenn man so eine Entscheidung einmal getroffen hat als Unternehmen, als Konzern für einen Hersteller, für einen ganz bestimmten Flugzeugtypen, für Flugzeugmuster, dann ist das ja eine weitreichende Entscheidung. Wie weitreichend, wie lange sind die unterwegs?

[CS] Na ja, wenn Sie jetzt mal dran denken, die 737 gibt es heute noch, die wurde in den 60er-Jahren eingeführt, natürlich immer modernere Varianten, hat sich weiterentwickelt, aber das Grundmodell fliegt heute noch. Und das ist jetzt schon 60 Jahre her.

[NL] Ja, kann ich bestätigen. Also es ist auch für die Zukunft sicherlich etwas, was man sich immer wieder vor Augen führen muss: dass die Entwicklungszyklen in der Branche auch sehr lang sind. Also zum einen dauert es relativ lange, bis man ein neues Flugzeugmodell, also wirklich eine ganz neue Kategorie, entwickelt hat und eingeführt hat. Da braucht es Jahre der Ingenieursarbeit, der Testungen, der Zertifizierung etc., bis das auslieferungsfähig ist. Und zum anderen fliegen Flugzeuge heutzutage gut 20, 30 Jahre, mindestens 20 Jahre eigentlich im Passagierbetrieb, dann meistens noch mal einige Jahre im Frachtbetrieb. Das heißt, so ein Flugzeug, wenn es einmal hergestellt wurde, kann gut 20, 30, wenn nicht sogar in Zukunft 40 Jahre fliegen. Die Entscheidungen, die heute getroffen werden, sind im Endeffekt Entscheidungen für 2040, 2050.

[AH] Aber was bedeutet das denn in einer Zeit, in der sich die Regulatorik, wenn wir jetzt mal gucken in Sachen Klimaauflagen, neue Kraftstoffe etc. möglicherweise noch mal verändert und vielleicht auch schnell verändert?

[NL] Ich denke, das ist ein wesentlicher Faktor, auch Aspekt für zukünftige Flottenentscheidungen, das Thema Wirtschaftlichkeit und damit auch Nachhaltigkeit. Da hat sich auch viel getan in den letzten Jahren. Treibstoffeffizienz hat enorm zugenommen, auch durch Modernisierungen von bestehenden Flugzeugmodellen. Also nehmen wir auch hier den A320 wieder als Beispiel, das jüngste Modell der A320neo, der hat neue Triebwerke druntergeschraubt bekommen und dadurch konnte man signifikant Treibstoff einsparen. Letztendlich ist es aber so, dass man in einem gewissen Rahmen als Fluggesellschaft dann auch nur arbeiten kann. Und da diese Entscheidung so langfristig sind, kann eine Flottenmodernisierung nur ein wesentlicher Aspekt sein von einem Portfolio an Maßnahmen, sage ich mal, um die Nachhaltigkeit auch zu steigern.

[AH] Wenn Sie in die Zukunft gucken müssten, wie sähe denn die Flotte der Zukunft aus?

[CS] Die Frage ist sehr schwierig. Ich habe keine Glaskugel zur Hand, aber ich vermute mal, dass wir die Vielfalt haben werden mit Boeing und mit Airbus, der Konkurrenzkampf wird da sein. Die Maschinen, wie wir vorher gesagt haben, werden meiner Meinung nach nicht zu groß sein. Also der A380 war ja nicht gerade das Erfolgsmodell, war einfach zu groß, auch auf vielen Strecken zu unwirtschaftlich. Und es wird einfach der Punkt-zu-Punkt-Verkehr nach wie vor dominierend sein, sofern erstens mal der Luftraum zur Verfügung steht und die Slots an den Airports. Das wird wahrscheinlich der einschränkende Faktor sein.

[NL] Ich denke, die zukünftige Flottenstruktur wird auch von zweistrahligen Flugzeugen vor allem beherrscht werden, weil die technologischen Fortschritte vor allem in den letzten Jahren und auch in der Zukunft in der Triebwerkstechnologie liegen, also in den Antrieben, und wird da ganz klar die Entwicklung sehen hinsichtlich zweistrahliger Maschinen. Ich denke, auch für eine Airline sprechend ist es vor allem ein zukünftiger Fokus auf eine Vereinfachung der Flotte. Auch hier ist es wichtig zu erkennen, gerade wenn man mehrere Jahrzehnte im Geschäft ist wie eine Lufthansa Gruppe, dann hat man natürlich auch Bestandsflugzeuge, die man noch weiter betreibt, die man auch weiterhin wirtschaftlich betreiben kann, teilweise aber auch in naher Zukunft ausmustern wird. Und ich denke, ein Schlüssel in einer zukünftigen Flottenstruktur ist vor allem, eine einfache Flotte zu haben, die es uns letztendlich ermöglicht, auch flexibel am Markt zu agieren.

[AH] Carl Sigel, Nils Lewe, vielen, vielen Dank für diese kleine Zeitreise durch die Flotte der Lufthansa und von Ihren Anfängen bis heute.

[CS] Wir bedanken uns auch. Es hat Spaß gemacht. Das war eine entspannte Atmosphäre und bin gerne gekommen.

[NL] Vielen Dank!

[AH] Und in unserer kommenden Folge geht es um die kleinen und die großen Krisen, die die Lufthansa-Geschichte durchgemacht hat. Wenn man 100 Jahre existiert, dann erlebt man so ziemlich alles in dieser Zeit. Wie wurde umgegangen mit Naturkatastrophen, Pandemien oder menschlichen Tragödien? Wie werden tagtägliche kleinere Vorfälle gemanagt, ehe sie zur Krise werden? Und was macht eigentlich das sogenannte SAT-Team? Das alles beschäftigt uns dann in der nächsten Folge von Above and Beyond. Ich verabschiede mich von Ihnen, im Leben wie im Flugzeug: Bleiben Sie stabil und kommen Sie gut an! Bis zum nächsten Mal!

[VO] Das war: Above and Beyond – der Podcast der Lufthansa Airlines. Mehr Einblicke in die Luftfahrt gibt es in der kommenden Folge. Und für alle, die nicht mehr so lange warten wollen: Folgt doch unserem Instagram-Kanal lufthansaviews. Alle Links findet ihr wie immer in den Shownotes.

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